Renens (VD): Passerelle Rayon Vert

Die neue Passerelle Rayon Vert verbindet die nördlich und südlich der Geleise gelegenen Bahnhofplätze, die beide als Begegnungszonen eingerichtet sind. Sie schafft Zugang zu allen öffentlichen Verkehrsmitteln: dem Bus, Zug, Metro und zukünftig dem Tram. Das Projekt ist abgestimmt mit dem Grossprojekt zur Umgestaltung des Bahnhofs Renens, das verschiedenste Akteure einbindet: Es umfasst beispielsweise eine Personenunterführung, die Modernisierung der Perrons und Überdachungen, eine Vergrösserung des Perrons der Metro und des zukünftigen Trams sowie eine zweite Passerelle.

«Zuvor war das hier die Bronx», sagt ein Passant in der Dokumentation zum Rayon Vert. Die unbefriedigenden Zustände am Bahnhof Renens, der von den zahlreichen Reisenden mit Destination Hochschulcampus der UNIL und EPFL verstopft wurde und für Personen mit eingeschränkter Mobilität schlecht zugänglich war, blieben lange unbeachtet. Prägend war eine in Stosszeiten zu enge und abends unheimliche Unterführung.

Der Rayon Vert symbolisiert eine starke, effiziente und sichtbare Verbindung zwischen zwei Gebieten nördlich und südlich der Bahngleise, die vor 150 Jahren durch den Bau der Bahnlinie zerschnitten wurden. Deshalb wurde in jener Zeit auch von Renens Nord und Renens Süd gesprochen. Die nunmehr wiederhergestellte Verbindung gliedert sich entlang mehrerer Themen:

Geschichte
Bereits vor 100 Jahren existierte eine Passerelle nah vom Bahnhof. Bei der Projektierung der neuen Verbindung wurde zunächst wiederum die Rea- lisierung einer Unterführung favorisiert. Sie hätte eine längere Lebensdauer versprochen, wäre jedoch zu Fuss weniger attraktiv gewesen. Letztlich gab die leichte Hanglage den Ausschlag für die Realisierung einer oberirdischen Lösung.

Politik
Das Projekt betrifft sämtliche Gemeinden der Region «Ouest lausannois», insbesondere Chavannes-près-Renens, Crissier, Ecublens und Renens. Sie befinden sich in einem umfangreichen Regionalentwicklungsprozess, der übri- gens 2011 mit dem Wakkerpreis ausgezeichnet worden ist.

Physik
Die insgesamt 150 m lange, grosszügig dimensionierte Passerelle (11 bis 16 m breit) bietet auch Zugang zu den Perrons. Die beiden Krümmungen an den Enden der Überführung brechen die lineare Form und lassen die zurückzulegende Distanz kürzer erscheinen. Der Prototyp eines Abschnitts der Passerelle ermöglichte es, die Materialisierung und das Design zu justieren. Die hell gefärbten Bänder auf den beiden Bahnhofsplätzen verlaufen rechtwinklig zu den Gleisen; ihre Masse entsprechen der Spurbreite von SBB-Gleisen, um den Bezug zu diesen zu verstärken.

Mobilität
Ursprünglich schätzten die SBB das Personenaufkommen am Bahnhof Renens auf 8’000 Personen pro Tag. Im Projektierungsprozess für den Rayon Vert ergaben die Personenzählungen dann aber 30'000 Reisende pro Tag, was Renens zum drittwichtigsten Bahnhof der Westschweiz nach Genf und Lausanne macht. Die neue multimodale Haltestelle wurde entsprechend konzipiert und ist auf eine erwartete Verdoppelung der Belastung bis 2030 ausgelegt. Zu Fuss können die Nord- und die Südseite der Gleise fortan auf drei Wegen erreicht werden: über die Passerelle Rayon Vert, die neue, verbreiterte Unterführung und über die Passage du 1er Août. Eine zusätzliche Passerelle ist für die bessere Anbindung des Quartier des Entrepots geplant. Die Veloinfrastruktur (Velo-Tiefgarage, Velostation und gedeckte Abstellplätze) ist direkt mit den Zugängen zu den öffentlichen Verkehrsmitteln verbunden. In den beiden Unterführungen ist der Veloverkehr nun zugelassen.

Gesellschaft
Der Rayon Vert bietet Lebens- und Begegnungsraum. Es ist ein Ort der Durchreise, jedoch auch des Verweilens, des Austauschs und der Kontemplation. «Vom Zug auf den Bus zu wechseln, ist zu einem Spaziergang geworden», meint ein Nutzer dazu. Die Gestaltung auf den angrenzenden Plätzen wo sich auch Läden befinden sowie Überdachungen, Sitzbänke und Wasserspiele. Das Mobiliar wurde eigens für dieses Projekt entworfen. Die Bänke zum Beispiel greifen das Design der alten Holzbänke in den Zügen auf. Die LED-Beleuchtung variiert je nach Personenfrequenzen. Die Gestaltung des gesamten Bereichs ist homogen, da die SBB bei der Errichtung der Perrons, Überdachungen und Wartesäle mit denselben Architekten wie die Gemeinde gearbeitet hat.

Vegetation
Die beiden Plätze sind mit Bäumen bepflanzt und die Passerelle ist weitgehend begrünt (25 gepflanzte Bäume – Linde, Zürgelbaum und Eiche – und 240 Kletterpflanzen aus 5 verschiedenen Arten). Der Name des Projekts ist abgeleitet aus den organischen Motiven, die bei den verschiedenen Gestaltungselementen der Passerelle und der Plätze verwendet wurden (begrünte Passerelle, Dächer und Abdeckungen, Unterstände). Le Rayon Vert ist ausserdem der Titel eines Films von Eric Rohner. Er beschreibt das Phänomen, laut dem bei klarem Wetter der letzte Sonnenstrahl an der Meeresküste einem grünen Blitzstrahl gleicht. Wer diese Beobachtung macht, so sagt man, kann die eigenen Gefühle und diejenigen anderer lesen. Vom Rayon Vert in Renens aus sieht man auf jeden Fall den Jura, die Alpen und den «stählernen Fluss», den die Bahngleise bilden.

Projektträgerschaft
Gemeinden Renens, Chavannes-près-Renens, Crissier und Ecublens

Auftragnehmer
Farra zoumboulakis & associés architectes urbanistes (Architektur und Stadtplanung)

Ingeni SA (Bauingenieure)

L’Atelier du Paysage Sàrl (Landschaftsarchitekten) 

TekhneSA (Projektleitung)

Zeitplan
2007: Wettbewerb

2008-2011: Vorstudien, Vorprojekt, Projekt und Koordination

2014: Baueingabe Bahnhof Renens und viertes Bahngleis, Unterteilung in 4 Unterdossiers

2015: Bewilligung der Pläne des BAV, Abstimmungen über den Baukredit in den vier Gemeinderäten

2017: Beginn der Bauarbeiten

2021: Inbetriebnahme

Kosten
Planungskosten: CHF 2’200’000.-

Strassengestaltung Süd: CHF 3’400’000.-

Passerelle und Zugang zu Perrons: CHF 20’300’000.-

Plätze Nord und Süd: CHF 5’100’000.-

Total: CHF 31’000’000.-

Finanziert durch Gemeinden, Kanton und Bund im Rahmen des Agglomerationsprogramms.

Bewertung der Jury
Renens ist der Hauptort des Bezirks Ouest lausannois. Sein Bahnhof wird zu einer wichtigen Mobilitätsdrehscheibe ausgebaut. Dies bringt dem Bahnhof mehr Fernverkehrszüge, bedeutet aber auch, dass die auf der Jura-Südfusslinie von und nach Genf Reisenden in Renens umsteigen müssen – so jedenfalls planen es die SBB für einen Zeitraum von mehreren Jahren. Seine neue Rolle kann der Bahnhof nur erfüllen, wenn er gründlich modernisiert und ausgebaut wird. 2021 konnte mit der Passerelle «Rayon Vert» ein wichtiger Baustein in Betrieb genommen werden. Sie verbindet die Place de la Gare südlich der Gleise mit der nördlich gelegenen Place du Terminus. Vor allem aber verbindet sie die Perrons der SBB mit der Endstation der Métro M1 im Süden und ab 2026 mit der Endstation des Trams im Norden.

Die Passerelle ist also mehr als bloss ein Übergang: Sie ist das Herzstück der neuen Verkehrsdrehscheibe. Entsprechend grosszügig ist nicht nur die Passerelle, sondern die Bahnhofsanlage insgesamt dimensioniert; das Ganze ist einheitlich gestaltet. Die Passerelle besticht durch ihre Weite und Leichtigkeit. Das hellblaue Glasdach beschattet den Weg über die Gleise, schützt vor Regen und erzeugt eine freundliche Atmosphäre. Es ist angenehm, über die mit Kletterpflanzen begrünte Passerelle zu gehen, weil es keine kommerziellen Einrichtungen (und keine Werbung) gibt. Manche Passa- giere warten deshalb lieber auf dem «Rayon Vert» auf ihren Zug als auf dem Perron. Besonderes Augenmerk richteten die Planerinnen und Planer auf die Aufgänge an den beiden Enden. Am Bahnhofplatz ist er als grosszügige überdachte Treppenlandschaft gestaltet. Ihre Breite und die Zweiteilung des Rolltreppenaufgangs täuschen über die grosse Höhe hinweg, die zu überwinden ist. Auf der anderen Seite führt eine Rampe sanft von der Passerelle auf den Boden. Treppen und Rolltreppen schliessen die Passerelle an die Perrons von SBB, Métro und Tram an; für Personen mit eingeschränkter Mobilität steht jeweils ein Lift zur Verfügung.

Wegen der Züge und der Fahrleitungen müssen bei einer oberirdischen Passerelle mehr Höhenmeter überwunden werden als bei einer unterirdischen Passage. «Rayon Vert» löst diese Herausforderung auf elegante Art und könnte so zu einem Vorbild für andere Bahnhöfe werden.


Fotos:
Michel Bonvin
Avant travaux: Gemeinde Renens