Zürich (ZH): Rückeroberung der Stadt

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Das Projekt ‹Gleisbogen› im Entwicklungsgebiet Zürich-West erschliesst als öffentliche Flaniermeile, Erholungs- und Bewegungsraum das Gebiet vom Bahnhof Hardbrücke über die Pfingstweidstrasse bis zum Escher-Wyss-Platz. Es schafft einen sozialen, urbanen und ökologischen Korridor, an dem sich Erschliessung, Erholungsflächen, Lebensräume für Pflanzen und Tiere wie an einer Perlenschnur aufreihen und der so die Brüche im Stadtteil zwischen der Limmat und den Gleisen überwindet.

Der Entwurf nimmt die Dynamik des Umbruchs und die industrielle Geschichte, die den Charakter dieses Stadtraumes prägen, auf und setzt sie gestalterisch neu um. Ein Baukastensystem mit Gestaltungsrichtlinien ermöglicht die zeitlich unabhängige Realisierung, eine einheitliche gestalterische Handschrift und dennoch individuelle Ausgestaltung der Teilräume. Rückgrat und buchstäblich roter Faden des Projekts ist das ‹Basic Kit›, ein 5 bis 10 Meter breites Wege-Band: Ein roter Betonbelag definiert den Fuss- und Radweg, der das Gebiet dank einer markanten Fussgängerbrücke durchgängig erschliesst. Ginkgo-Bäume verleihen dem Weg räumliche Wirkung. Die umgebenden Schotter- und Kiesflächen bieten Frei- und Lebensraum.
‹Action Tools› und ‹Park Tools› sind offene Freiflächen, die direkt am Weg liegen und zur Aneignung einladen. Während die Park Tools dauerhaften, parkartigen Charakter haben, strahlen die Action Tools temporären Charakter aus, sind also in Gestalt und Nutzung wandelbar. Der Entwurf der Tools orientiert sich am Standort: Sie thematisieren den Vorgang des Lagerns. Die Flächen waren ursprünglich als Zwischenlager für die Baumaterialien des Gleisbogens vorgesehen. Wie die leeren Regale einer Lagerhalle weisen Spuren auf real oder potentiell hier gelagerte Materialien wie Kandelaber oder Bänke hin.

Projektorganisation / Beteiligte
Bauherr:
Grün Stadt Zürich: Gesamtprojektleitung, Projektleitung Tools und Verträge
Tiefbauamt Stadt Zürich: Projektleitung Passerelle und Basic Kit
ewz Stadt Zürich: Beleuchtung

Landschaftsarchitektur und Gesamtkoordination Planung:
Hager Partner AG, Zürich

Architektur / Fachplaner
huggenbergerfries Architekten AG ETH SIA, Zürich: Architektur Passerelle
Aerni + Aerni Ingenieure AG, Zürich: Bauingenieur
Bänziger Partner AG, Zürich: Controlling Statik Passerelle
Ingenieurbüro Heierli AG, Zürich: Verkehrsplanung, Ingenieur Tiefbau
Beat Zoderer, Wettingen: Kunst
d-lite lichtdesign, Zürich: Beratung Beleuchtung
Triatec Consulting AG, Zürich: Planung Altlastensanierung
topos Marti & Müller, Zürich: Umwelt- und Naturschutz
BEVBE, Bonstetten: Betonbeläge
Railplan Baumann, Geroldswil: Ingenieurbüro Gleisbau


Zeitraum
2002/2003 Studienauftrag
2003 Realisierung Banklager vor Puls 5
2005 Realisierung 1. Teil Baumlager beim West-Park
2007 Planauflage gemäss §§16ff. Strassengesetz
2007 Vertrag mit Grundeigentümern Maagareal Plus
2008 Gemeinderatsbeschluss zum Netto-Objektkredit Gleisbogen
2009 Baustart Passerelle
2010 Eröffnung Passerelle und Wegabschnitt vom Puls 5 bis Pfingstweid-Areal = Teilinbetriebnahme Gleisbogen
2011 Realisierung vor Platform (Zahnradstrasse bis Bahnhof Hardrücke)
2011 Erweiterung Baumlager beim West-Park
2011/2012 Bau Action Tool Kunstlager
2013 Realisierung vor Escherterrassen
Realisierung entlang CityWest (Zahnradstrasse bis Pfingstweid-Areal): genauer Termin offen

Aktueller Stand Realisierung (April 2011): Passerelle und verschiedene der Tools (Banklager, Baumlager, Leuchtenlager) sowie ca. 2/3 des Weges sind ausgeführt und nutzbar.


Finanzierung
Dank des Einbezugs privater Grundeigentümer mit entsprechenden Nutzungsverträgen und Grundbucheinträgen konnten die Kosten relativ gering gehalten werden. Aufwand und Ertrag stehen in einem sehr günstigen Verhältnis. Die endgültige Bauabrechnung ist noch offen.

Erstellung einer komplett neuen Wegeverbindung inkl. Passerelle und Beleuchtung
- Objektkredit brutto CHF 19'463'000.- inkl. Kosten für Wettbewerb und Projektierung; inkl. aller Baunebenkosten, Bauherrenleistungen und Reserven (davon Beleuchtung - EWZ - 2 ´800'000.-, Passerelle - Tiefbauamt Stadt Zürich - 6'820'000.-, Grün Stadt Zürich 9'843'000.-)
- Beteiligung Privater an der Planung 139'000.-
- Beteiligung Privater durch weitere Beiträge 670'000.-
- Finanzierung der Tools auf privatem Grund komplett durch Private, nicht in Objektkredit-Kosten enthalten


Bewertung der Jury
Das Projekt überragt in seiner Dimension und Qualität die anderen Eingaben der Stadt Zürich für den «Flâneur d’Or 2011». Die Fachjury würdigt es als spannend und grosszügig, wenn auch noch nicht ganz fertig gestellt, was bei der Dynamik der Umfeldentwicklung richtig erscheint und eine Chance ist, auf neue Bedürfnisse zu reagieren. Zu einem frühen Zeitpunkt wurde in einem boomenden Quartier ein Zeichen für die Vernetzung der Quartiere und den Fuss- und Veloverkehr gesetzt. Es entstanden damit neue Beziehungen, welche im Zusammenwirken der öffentlichen Hand und privaten Investoren «eingelebt» werden können. Das Projekt schafft gleichzeitig Durchlässigkeit und einen räumlich wahrnehmbaren Korridor, an dem sich Erschliessung, Erholungsflächen und Lebensräume wie an einer Perlenschnur aufreihen und so die Brüche in diesem Stadtteil zwischen Limmat und Gleisen überwinden hilft. Das Wegband weist keine Trennung zwischen Velofahrenden und Zufussgehenden auf; ob dies so funktioniert, wird sich im Betrieb weisen müssen. Eine grosse und «teure» Geste bildet die Passerelle, welche rollstuhlgängig ausgelegt ist; die Behindertengerechtigkeit und die mit schmalen Stufen ausgestatteten Zugangstreppen überzeugen jedoch nicht restlos. Noch nutzen nicht viele Fussgängerinnen und Velofahrer das Wegband, was daran liegt, dass erst 2/3 des Weges fertiggestellt sind und auch die angeschlossenen Bebauungen erst bezogen werden. Entsprechend wird es Zeit brauchen, bis die Quartiernutzer/innen den neuen öffentlichen Raum in Beschlag nehmen.