Flâneur d’Or 2001

Burgdorf (BE): Fussgänger- und Velomodellstadt

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Die Stadt Burgdorf war eben daran, ihren Richtplan zu erarbeiten, als der VCS und das Ingenieurbüro Metron für ihr Energie-2000-Projekt zur Förderung des Fussgänger- und Veloverkehrs ein geeignetes Versuchsgelände suchten.
Erfreuliche Folge: Seit vier Jahren läuft im Bahnhofquartier der Emmestadt der Praxistest eines Verkehrsmodells, das alsbald Furore machte und demnächst zahlreiche Nachahmer finden dürfte.


Burgdorf machte unter 40 Mitbewerberinnen das Rennen um den Titel “Fussgänger- und Velomodellstadt”. In den Richtplan integriert, wurde das Projekt 1995 mit klaren Zielvorgaben gestartet: 10% weniger Energieverbrauch beim Verkehr innerorts, 20% mehr Velofahrten und 1/3 mehr zu Fuss zurückgelegte Wege.
  Neuartige Koexistenz mit Zukunft
Das Herzstück der Modellstadt ist heute zweifellos die “Flanierzone” im Einkaufsquartier der Unterstadt. Das Geviert zwischen Coop, Migros, Post und Bahnhof hat einen Umfang von rund 500 Metern. Auf der Hauptachse, der ersten verkehrsorientierten Strasse der Schweiz, wo zu Fuss Gehende durchwegs Vortritt haben, verkehren pro Tag über 6000 Autos, Taxis und Busse. Strassen und Trottoirs, mehrheitlich schon niveaugleich, wirken als eine einzige Verkehrsfläche. Unabdingbare Voraussetzung fürs Ganze: die Geschwindigkeitslimite von 20km/h.
Der Projekt-Trägerkreis bemühte sich von Anfang an erfolgreich um den Einbezug aller politischen Lager, des Gewerbes und der Bevölkerung in den Planungsprozess. War anfänglich viel Skepsis vorhanden, so ist die Flanierzone heute aus Burgdorf nicht mehr wegzudenken. Strassencafé-Kultur blüht auf, und keine der Befürchtungen hat sich bewahrheitet: Die FussgängerInnen machen von der neuen Freiheit, die Strasse beliebig queren zu können, Gebrauch, lassen dabei aber die nötige Vorsicht walten. Andererseits kommt aggressives Fahren praktisch nicht mehr vor. Das Geschwindigkeitsniveau sank von vorher 45–50 auf durchschnittlich 30 km/h – ohne dass eine einzige Busse verhängt worden wäre! Unfallbilanz der vier Jahre: ein paar Bagatellen, dies bei relativ geringen baulichen Massnahmen und entsprechend moderaten Kosten. Die intensive Öffentlichkeits- und Überzeugungsarbeit – u.a. mittels Plakataktionen, Bodenmarkierungen, Events – hat gefruchtet.
  Pilgerort Burgdorf
Ein zweiter Flanierzonenversuch läuft im neuenburgischen Saint-Blaise. Bevor das Modell Schule machen kann, wird der Bundesrat eine neue Verordnung über Langsamverkehrszonen verabschieden müssen (voraussichtlich Anfang 2002). Die Dutzende von (Behörden-)Delegationen aus der ganzen Schweiz, die deswegen nach Burgdorf kamen, belegen eindrücklich, wie gross das Interesse am ersten grossen Wurf der Modellstadt ist.
  In der Modellstadt ist auch einiges andere schon geschehen oder noch im Tun:

  • Mobilitätsberatung für Sportvereine (mit ermutigenden ersten Umsteigeeffekten)
  • Verkehrsorganisatorische Erleichterungen für den Veloverkehr
  • Suche nach besseren Verkehrsverbindungen zwischen Unter- und Oberstadt
  • Velo-Hauslieferdienst (durch Veloservicestation am Bahnhof)
  • Beseitigung der systematisch erhobenen Gefahrenstellen im Strassenraum (Schulwegsicherung)
  • Evaluation sicherer, komfortabler Querungsmöglichkeiten auf der stark befahrenen Durchgangsstrasse. etc.