Die Stadt Burgdorf war eben daran, ihren
Richtplan zu erarbeiten, als der VCS und das Ingenieurbüro Metron für
ihr Energie-2000-Projekt zur Förderung des Fussgänger- und Veloverkehrs
ein geeignetes Versuchsgelände suchten.
Erfreuliche Folge: Seit vier
Jahren läuft im Bahnhofquartier der Emmestadt der Praxistest eines
Verkehrsmodells, das alsbald Furore machte und demnächst zahlreiche
Nachahmer finden dürfte.
Burgdorf
machte unter 40 Mitbewerberinnen das Rennen um den Titel “Fussgänger-
und Velomodellstadt”. In den Richtplan integriert, wurde das Projekt
1995 mit klaren Zielvorgaben gestartet: 10% weniger Energieverbrauch
beim Verkehr innerorts, 20% mehr Velofahrten und 1/3 mehr zu Fuss
zurückgelegte Wege.
Neuartige Koexistenz mit Zukunft
Das
Herzstück der Modellstadt ist heute zweifellos die “Flanierzone” im
Einkaufsquartier der Unterstadt. Das Geviert zwischen Coop, Migros, Post
und Bahnhof hat einen Umfang von rund 500 Metern. Auf der Hauptachse,
der ersten verkehrsorientierten Strasse der Schweiz, wo zu Fuss Gehende
durchwegs Vortritt haben, verkehren pro Tag über 6000 Autos, Taxis und
Busse. Strassen und Trottoirs, mehrheitlich schon niveaugleich, wirken
als eine einzige Verkehrsfläche. Unabdingbare Voraussetzung fürs Ganze:
die Geschwindigkeitslimite von 20km/h.
Der Projekt-Trägerkreis
bemühte sich von Anfang an erfolgreich um den Einbezug aller politischen
Lager, des Gewerbes und der Bevölkerung in den Planungsprozess. War
anfänglich viel Skepsis vorhanden, so ist die Flanierzone heute aus
Burgdorf nicht mehr wegzudenken. Strassencafé-Kultur blüht auf, und
keine der Befürchtungen hat sich bewahrheitet: Die FussgängerInnen
machen von der neuen Freiheit, die Strasse beliebig queren zu können,
Gebrauch, lassen dabei aber die nötige Vorsicht walten. Andererseits
kommt aggressives Fahren praktisch nicht mehr vor. Das
Geschwindigkeitsniveau sank von vorher 45–50 auf durchschnittlich 30
km/h – ohne dass eine einzige Busse verhängt worden wäre! Unfallbilanz
der vier Jahre: ein paar Bagatellen, dies bei relativ geringen baulichen
Massnahmen und entsprechend moderaten Kosten. Die intensive
Öffentlichkeits- und Überzeugungsarbeit – u.a. mittels Plakataktionen,
Bodenmarkierungen, Events – hat gefruchtet.
Pilgerort Burgdorf
Ein
zweiter Flanierzonenversuch läuft im neuenburgischen Saint-Blaise.
Bevor das Modell Schule machen kann, wird der Bundesrat eine neue
Verordnung über Langsamverkehrszonen verabschieden müssen
(voraussichtlich Anfang 2002). Die Dutzende von (Behörden-)Delegationen
aus der ganzen Schweiz, die deswegen nach Burgdorf kamen, belegen
eindrücklich, wie gross das Interesse am ersten grossen Wurf der
Modellstadt ist.
In der Modellstadt ist auch einiges andere schon geschehen oder noch im Tun: