Verkehrsstrom
und -lärm sind geblieben, aber aus einer unwirtlichen, trennenden
Dorfschneise entstand eine Durchgangsstrasse mit verbindendem Charakter.
Wabern hat eine neue Ortsmitte und die ewige Warterei an den
Fussgängerampeln gehört der Vergangenheit an. Das Schlüsselwort dazu
heisst “Berner Modell”.
Heute,
vier Jahre nach dem Totalumbau, ist die Seftigenstrasse mit 21'000
Fahrzeugen pro Tag gar noch leicht stärker belastet als zuvor. Doch die
Autos müssen sich ihren Platz mit dem – bevorzugt behandelten – Tram
teilen. Möglich wurde diese Zusammenlegung von Fahrbahn und Tramtrassee
durch ein ausgeklügeltes System von Ampeln und Kreiseln. Die
beabsichtigte Verstetigung des Verkehrs ist eingetroffen: Die mittlere
Fahrgeschwindigkeit ist zwar gesunken (von 31 auf 28,5 km/h), dank
kürzerer Stillstandszeiten dauert die Durchfahrt im Schnitt aber nur
noch 64,5 statt 67 Sekunden. Die den Verkehr dosierenden Ampeln, zuvor
fast rund um die Uhr in Betrieb, schalten sich nur noch während rund 2,5
Stunden pro Tag ein.
Komfort und Sicherheit für Fuss- und Veloverkehr
Warteten FussgängerInnen durchschnittlich 20 Sekunden, um über die alte Seftigenstrasse
zu kommen, sind es heute 1,6 Sekunden. Das Überschreiten der Fussgängerstreifen
ist
offenbar derart problemlos, dass trotz des einladenden Mittelstreifens
das “wilde” Queren zurückgegangen ist. Abgenommen hat beim Queren auch
die Verweildauer auf der Fahrbahn. Noch weit stärker als dem Fussgänger-
(plus 11%) hat der Komfort- und Sicherheitsgewinn dem Veloverkehr
Auftrieb verliehen (plus 56%).
Das kleine Wunder fusst auf einem
intensiven partizipativen Planungsprozess, wie ihn das Berner Modell in
Gang setzt, um den verkehrspolitischen Grundsätzen des Kantons
Nachachtung zu verschaffen. Das Instrument der “erweiterten
angebotsorientierten Verkehrsplanung” orientiert sich an Grenzen und
Grenzwerten und entsprechenden interdisziplinären Erkenntnissen, die
definieren helfen, wie Problemstrassen in jeder Beziehung wieder
“verträglich” zu machen sind. Erstens sollen so die Folgeschäden des
nach rein technischen Kriterien vorgenommenen Strassenbaus behoben und
zweitens Spielräume für die zukünftige Entwicklung geschaffen werden.
Mitreden, um mitzutragen
Die
aus Quartier- und RegionsvertreterInnen zusammengesetzte “Kommission
Seftigenstrasse” begleitete die Projektierungsarbeiten von allem Anfang
an. Das Berner Modell weist dem institutionellen Begleitgremium klare
Aufgaben und Kompetenzen zu; seine Mitglieder schlüpfen so nach und nach
auch in die Rolle von “Botschaf-terInnen”. Mit einem sehr gepflegten
Informationsblatt, dem “asfalter”, schufen die Behörden auch während der
Realisierungsphase Goodwill für das Projekt. Vollends zum Vorzeigestück
der Berner Planungsphilosophie wird die Seftigenstrasse durch die Kunst
am Bau auf dem Mittelstreifen, dem neuen Rückgrat der Verkehrsader.
Koexistenz statt Dominanz: Diesen Anspruch löst die Seftigenstrasse
heute ein. Der mit 70% Anteil wei-terhin dominierende Autoverkehr muss
alle andern gleichberechtigt leben lassen – was er jedoch nur so lange
tun wird, als er nicht unbeschränkt weiterwächst.