Wie schafft man es, mit einem Strassensanierungsprojekt auf einer Kantonsstrasse einem zerschnittenen Ort ein sichtbares und für den Fussverkehr attraktives Dorfzentrum zurückzugeben? Diese Herausforderung wurde in diesem Projekt dank intensiver Zusammenarbeit und dem Mut, Bestehendes zu hinterfragen, so vorbildlich gelöst, dass es schwerfällt sich vorzustellen, wie es zuvor war.
Projektbeschrieb
Niederlenz ist durch den Aabach in zwei Ortsteile Ost und West geteilt. Daran entlang führt die Kantonsstrasse, die seit längerem sanierungsbedürftig war. Der Strassenbelag war in schlechtem Zustand, die Bachmauern mussten dringend saniert werden, der Strassenraum akzentuierte die Dominanz des motorisierten Verkehrs und die Situation für Fussgänger war unbefriedigend. Ein an sich genehmigtes, über 20 Jahre altes Projekt entsprach nicht mehr den heutigen Anforderungen. Deshalb wurde ein neues Betriebs- und Gestaltungskonzept mit Einbezug der Anwohner, des Gewerbes, der Grundeigentümer und der Schule in Angriff genommen, das auch den Bachraum, den Dorfplatz und den Dorfrain mitberücksichtigte. Dank einer breiten Akzeptanz konnte das umfassende Projekt nach einem verhältnismässig kurzen Planungsprozess genehmigt und die Strasse nach einer längeren Bauzeit 2016 in Betrieb genommen werden.
Um zusätzlichen Raum zu schaffen, wurden der Aabach und die Strasse nach Westen verschoben und gleichzeitig die Strassenbreite im zentralen Abschnitt auf durchwegs 6,20 Meter reduziert. Neu entstanden grosszügigere Vorbereiche, mit denen das Ortsbild aufgewertet und gleichzeitig mehr Platz für Fussgänger geschaffen wurde. Mit der offenen Raumgestaltung wurde der Dorfplatz im Zentrum aufgewertet. Insgesamt wurde mit dem neuen Erscheinungsbild die Aufmerksamkeit erhöht, so dass die Zielgeschwindigkeit in der neu gestalteten Strasse 40 km/h beträgt. Südlich des Übergangs «Mühlesteg» wurde eine Fahrbahn-Bushaltestelle erstellt. Der Fussgängerstreifen und eine Sperrfläche zwischen den Haltestellen erlauben so die sichere Querung der Fahrbahn für Fussgänger. Im Bachraum wurde der alte Industriekanal aufgehoben und im Bereich der Insel als Bachnebenarm gestaltet. Entlang dieses Arms wurde ein neuer rückwärtiger Fussweg geschaffen. Der Dorfplatz wurde gleichzeitig durch die Gemeinde neu gestaltet. Der Platz wirkt nun offener und schafft durch den Sichtbezug zu den Gebäuden auf der anderen Bachseite eine Zentrumssituation.
Organisation
Bauherrschaft: Departement
Bau, Verkehr und Umwelt, Abteilung Tiefbau, Unterabteilung Realisierung / Gemeinde
Niederlenz.
Projektverfasser
Betriebs- und Gestaltungskonzept und Baubegleitung: Metron
Verkehrsplanung AG, in Zusammenarbeit mit: Metron Architektur AG, Metron Landschaftsarchitektur AG, Priska Meier, Lichtkonzepte.
Projektverfasser
Bauprojekt und Bauleitung: Eichenberger
AG
Bauausführung: ARGE
Niederlenz, Meier + Jäggi AG / H. Graf AG
Zeitraum
1957: Genehmigung Planungskredit für Sanierung
Hauptstrasse durch Gemeindeversammlung.
1967: Vorprojekt für Ausbau Hauptstrasse mit
Überdeckung Aabach.
1981: Ablehnung 1. Projekt in Volksabstimmung.
1984: Überarbeitungt Projekt.
1985: Genehmigung 2. Projekt und Kredit durch
Gemeindeversammlung.
1991:
Genehmigung Bruttokredit
von CHF 6,1 Mio. durch Regierungsrat.
1993: Zurückstellung Projekt durch
Gemeindeversammlung.
2007: Umfassende Projektüberarbeitung.
2010: Projektinfo an Gemeindeversammlung
2010: Öffentliche Auflage des bereinigten Projekts
und einer Projekterweiterung.
2012: Baubeginn.
2016: Bauvollendung
Finanzierung
Gesamtkosten (inkl. Aachbach) CHF 13.0
Mio.
Total Kantonsanteil: CHF10'965'000
Total Gemeindeprojekte
CHF
1'995'000 (Strassenbeleuchtung 395'000 CHF / Sanierung Dorfplatz 495'000
CHF / Sanierung Entwässerung 595'000
CHF / Kanalisation Mühlestr. 510'000
CHF)
Beitrag Agglomerations-Programm: CHF 2'800'000
Bewertung der Jury
Auch nach der Sanierung der Kantonsstrasse durchqueren täglich rund 10‘000 Fahrzeuge das Dorf. Trotzdem konnten Attraktivität und Sicherheit für die Zufussgehenden erhöht werden. Die Umsetzung überzeugt trotz einengenden Rahmenbedingungen. Dabei wurde der Platz für den Fussverkehr, den motorisierten Verkehr sowie den Aabach mutig und mit ästhetischem Fingerspitzengefühlt neu verteilt. Zusätzlich macht der Dorfplatz mit autofreiem Bereich und Spielplatz das Ortszentrum erlebbar. Die Aufweitung des Aabachs vereint Hochwasserschutz mit einem neu gewonnenen Naherholungsgebiet im Taschenformat. Die alte Kantonsstrasse war verkehrsorientiert – die neue betont den öffentlichen Raum. Das Zusammenspiel von reduzierter Fahrbahn, aufgeweitetem Fussgängerbereich und Vorbereichen, Gestaltung von Fassade zu Fassade sowie Einbezug von Einfallsachsen und Kleinplätzen vermittelt mehr Dorf statt Strasse. Die Gestaltung unterstreicht so die bessere Koexistenz zwischen motorisiertem und nichtmotorisiertem Verkehr. Die schlichte Gestaltung mit niedrigen Randabschlüssen und grosszügigen Seitenbereichen fördert ein rücksichtvolles Verhalten der Fahrzeuglenkenden, auch weil die Zufussgehenden früh wahrgenommen werden. Sie trägt dazu bei, dass die Strasse überall gequert werden kann. Elegant gelöst ist die neue Bushaltestelle, die überhängend über dem Aabach Platz findet. Die Haltekante sollte jedoch für den behindertengerechten Zustieg höher ausgestaltet sein.